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DIE RASEREI DES HASENS



Viele Geschichten über den Zauberer Merlin sind bekannt, jedoch findet sich in seinen weniger bekannten Taten nicht minder viel Weisheit, die sich auch noch heute anwenden lässt, etwa aus jener Erzählung: Als sich das Wissen um Merlins Kräfte in den Straßen der Stadt verbreitet hatte, legten ihm die Bewohner all ihre guten Wünsche ans Herz, die er nur bereitwillig erfüllte, wenn er konnte. Die Menschen waren dankbar dafür – bis auf einen Schuster in einem alten Haus auf der anderen Seite der Stadt. Seine Wünsche drehten sich oft nicht um sein Glück, sondern das Unglück der anderen, weswegen Merlin sie ihm nicht erfüllen konnte. So sah der Schuster nicht, wie seinem Nachbarn der Apfelbaum einging, der ihm sogar vielmehr in den letzten Tagen noch viel außerordentlicher blühte. Auch hielt das Dach seines Vetters, der ebenfalls in der Stadt wohnte, dem er aber nur zu gerne einen Dachschaden samt Wasser in den Zimmern wünschte. Und einer verflossenen Liebe wuchsen keine Warzen auf den Zähnen, wie er sich an einem Abend in der Kneipe über zwei Tische hinweg mit eigenen Augen versichern konnte. Von seiner Raserei getrieben trat er noch an jenem Abend vor die Tür des Zauberers und schrie seinen Zorn hinaus. Merlin, zwar geweckt, aber immer noch müde, sah aus seinem Zimmer im obersten Stock des Hauses hinab auf den wütenden Mann und sprach eine kurze Formel, die ihn direkt in einen Hasen verwandelte, der mit seinen Hinterbeinen vor der Tür klopfte, bevor er losrannte und über die beleuchteten Gassen in ein dunkles Feld verschwand. Der Hase lebte fortan versteckt nahe der Stadt, doch dann und wann sah ihn mal jemand, wie er am Wegrand saß und mit aufgerissenen Augen den Störenfried anschielte, bis es ihm reichte und er im Grün verschwand. Angesprochen auf den Vorfall sagte Merlin, Groll sei ihm unerträglich, aber er sei nun einmal da und wenn er da ist, dann doch bitte wenigsten in einem weichen Fell mit zwei lustigen Ohren.

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