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In der Geschichte der Kultur fanden sich Menschen schon zu allerlei Dingen verwandelt, etwa zu Ungeziefer, zu einer Brust oder zu einer Pfeife, die keine Pfeife ist, doch die Metamorphose zum Zeh fehlte bisher. (Vgl. Grün, Rafka: Die Verwandlung als zentrales Motiv der Moderne. Reclam. Ditzingen. 1989) Das Institut für Anthropologie und interkulturellen Austausch in Duisburg ging 1992 der Frage nach, warum ausgerechnet dieses Körperteil keine Erwähnung in der Kulturgeschichte des Menschen findet. Die Studie der Forschungsgruppe um Prof. Dr. Ilz kam zu dem erstaunlichen Schluss, dass der Mensch aufgrund einer biologischen Besonderheit, kein Gefühl in den Zehen habe. Daraufhin brach ein akademischer Streit aus, bei dem die Allgemeinmedizin eine tragende Rolle einnahm. (Vgl.: Auf dem falschen Fuß erwischt. Der Streit um den Zeh und den Menschen. Aus: SPIEGEL. Ausgabe 49/1994. Seite 51-54.) Mehrere Mediziner führten Studien an, die ein eindeutiges Gefühl des Menschen in den Zehen belegten, schließlich sei es zudem bei Diabetes ein anerkanntes Symptom, dass die Betroffenen nach einiger Zeit über ein fehlendes Gefühl in ihren Zehen klagten. Dem hielt der Verband der Neuropsychologen aus Potsdam entgegen, dass es sich dabei nur um einen Irrtum handle, schließlich erzeuge die Phantasie jener Patienten erst ein Gefühl für die Zehen, was sie eben dann wieder verlieren würde. Es handle sich um ein rein neurologisches und psychologisches Problem. Wie so oft in der Geschichte der Menschheit dauerte die Debatte eine kleine Weile, bis sie in Vergessenheit geriet und nach drei Jahren nur noch ein paar Regalmeter mit Büchern in medizinhistorischen Bibliotheken füllte. Zuletzt lieh sich der Historiker Dr. Margit eines dieser Werke aus, er trug es unterm Arm aus dem Lesesaal der Universität Gießen und wollte sich damit auf das nächste Semester vorbereiten, bei dem er genau über diese vergessenen und ungelösten medizinischen Sachverhalte referieren wollte. Am Abend las er bereits tief in dem Buch, das auch einen Aufsatz von Rafka Grün zu dem Thema enthielt. Erst als er mit dem Fuß gegen die Kante seines Bettes stieß und sein kleiner Zeh dabei unglücklich abknickte, verwarf er diesen Aspekt seiner Vorlesung doch ziemlich schnell, denn nun schien ihm ein Eisbeutel deutlich wichtiger. Seitdem hat nie wieder jemand einen Fuß in diesen Bereich der Forschungsgeschichte gewagt. (Quelle: Görner, Mark: Kuriositäten der Medizingeschichte. Eine populärwissenschaftliche Sammlung. Aufbau Verlag. Berlin. 1999)

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Als ich aufwachte, war immer noch kein Fleisch nachgewachsen. Mein bleicher Arm lag vor dem Fenster in der Sonne, während der Motor für sich brummte und mein Blick über die Straßen wanderte. Und für einen Moment glaubte ich an die Hoffnung.

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Hinter der Maske regte sich Leben, da war ich mir sicher, auch wenn Du es nicht zugeben wolltest, auch wenn Du Deine Lippen fest zusammenpresstest, in der Hoffnung, dass ich es nicht merken würde, doch ich sah wie sich die Maske hob, Deine Augen sich bewegten, wie Du die Hände hobst, unschlüssig, ob Du sie Dir vor den Mund schlagen solltest, ob Du es noch verhindern konntest, doch aus Deinem Zustand glittest Du hinüber in einen Krampf Deines Körpers, der Dich schüttelte und in die Knie zwang, dass Du Dir die Maske selbst vom Gesicht gerissen hast, die Leute schauten bereits auf uns und nahmen Abstand, ich wollte Dich stützen, aber Du schlugst meine Hand weg und dann kam erst ein langer, schwarzer Finger aus Deinem Mund, viel größer als ein menschlicher Finger es je sein könnte, die einzelnen Glieder zwischen den Gelenken viel zu groß, dass dieser Finger überhaupt in Deinen Mund gepasst hätte, langsam legte er sich auf Dein Kinn, Deinen Speichel auf der glänzenden, dunklen Haut des Fingers, die Fingerspitze mit dem schmutzigen Nagel unten auf Deinem Kehlkopf, wie er dort leicht drückte und über Deinen Hals strich, und dann folgten die anderen Finger und die Hand und der Arm und schließlich der ganze nackte und dunkle Körper, der Dir den Kiefer ausrenkte und wir blickten ihm beide hinterher, auf einer menschenleeren Straße, die nur noch Deine Maske trug und für einen Moment atmete die Welt auf.


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